hau DER LOHNENDE TAUSCH

Ortsbezogene Recherche und Intervention in der Region Bucheggberg Frühjahr 2012 – Oktober 2013 im Rahmen von »FeldForschung vol. 3 – Glück gehabt«, Kuratorin Béatrice Bader; Katakomben/Turm/ Aussengelände von Schloss Bucheggberg, Kyburg-Buchegg; 02.09.–06.10.2013

»hau FLAG: COMMON VALUE«
Partizipative Intervention: Stoff, Faden, Stickrahmen; 2013
Wir besticken gemeinsam die Bucheggberg-Flagge mit dem Begriff TRADITION. In der Umfrage wurde eine Listung verschiedener Werte wie Familie, Liebe, Freundschaft, Abenteuer, Vertrauen, Zeit vorgenommen – die Tradition lag auf dem letzten Platz.

»hau SPEAKER‘S CORNER: THE VALUE OF SPOKEN PRESENCE«
Partizipative Intervention: Podest, Megaphon, Papierstapel, Wörter, Schnur; 2013
Deine Stimme für den Bucheggberg: Bitte Podest besteigen und Statement durch Megafon laut in die Landschaft lesen! Die individuellen Aussagen sind den Antworten aus dem Fragebogen zu den Begriffen »Glück, Zeit und Anwesenheit« entnommen.

»hau DER LOHNENDE TAUSCH: COMMON VALUE«
Alle Bucheggberger Tauschangebote aus dem Fragebogen versammelt in
einem Büchlein! Erhältlich gegen die Bereitschaft, eines der Angebote selbst anzubieten.

 

hau DER LOHNENDE TAUSCH rechnet mit Zeit  
Wer gibt wem wofür wieviel wovon warum? Unser Beitrag  ist eine Versuchsanordnung zu dieser Fragestellung und ermittelt das Verhältnis von Wert/Zeit/Arbeit. Mit den BewohnerInnen der Region Bucheggberg erprobten wir einen solchen Tauschhandel. Zentral war allerdings nicht der Tauschgegenstand, sondern die Investiton von Zeit durch tatsächliche Anwesenheit. Eine Stunde Arbeit ist eine Stunde ist eine Stunde ist eine Stunde…: Mit der Wertschätzung von Zeit wird auch dem eigenen Dasein Sorge getragen. Nicht nur Arbeit gegen Arbeit, nicht nur Ware gegen Ware tauschen, sondern vielmehr den Wert von Zeit aktiv verhandeln ist das Bestreben von »hau«.

hau DER LOHNENDE TAUSCH rechnet mit Zeit und Anwesenheit  
Die 15 für unser Anliegen gewonnenen KomplizInnen ermittelten in einem ersten Tauschhandel die Bedürfnisse und Anliegen der Bucheggberger, indem sie von uns erstellte Fragebogen zum Thema Wert/Zeit/Arbeit verteilten und wieder in die hauBOX einsammelten. Für jeden erhaltenen Bogen schenkten sie etwas Kleines zurück, wie zum Beispiel ein Stück Schokolade, handgefertigte Lavendelsäckchen, einen Spruch, oder einen Espresso. In der zweiten Phase des Tauschs wird durch uns die angesammelte Zeit an die KomplizInnen abgegolten. Jeder ausgefüllte Fragebogen hat einen Zeitwert von 5 Minuten. Die KomplizInnen könne diese für Hilfsarbeit von unserer Seite einlösen. Die gezielte Aufgabe wird vorher ausgehandelt. Ein Beispiel: Beim Komplizen der Conditorei Schluep in Messen hatten wir 11 ausgefüllte Fragebögen in der hauBOX. Dies entspricht bei 5 Minuten je Formular also 55 Minuten, die wir der Conditorei im Tausch an das Ehepaar Schluep zurückgeben.

hau DER LOHNENDE TAUSCH rechnet mit Zeit und Anwesenheit und Dialog 
Rund 60 Stunden verbrachten wir für die Feldforschung »GLÜCK GEHABT« in der Region Bucheggberg. Die Aufenthalte haben uns gezeigt, dass Zeit und Anwesenheit und Dialog wertvolle und aktuelle Güter sind, die als immaterielle Werte geschätzt werden und durchaus verhandelbar sind. Diese Intervention bleibt ein Versuch, den allgemein gefühlten Mangel an Zeit dingbar zu machen und dabei auf Nebenschauplätze zu verweisen ohne die das hau verkümmern würde. Ein hau beschreibt das Herzstück eines jeden Tauschs und meint den Geist einer gegebenen, den Wert einer geschenkten Sache, die mit jedem Austausch erneuert, erhalten und vor allem wieder wertgeschätzt wird.

Insgesamt flossen 255 Stellungnahmen zurück und in die Ausstellung ein. Sie reichten von realen Tauschangeboten über das individuelle Inszenieren von Statements bis zum Herstellen eines neuen gemeinsamen Objekts, denn Resultat und Prozess waren im Projektverlauf vice versa gekoppelt. Der von Anfang an ohne Vorselektion angelegte Prozess hat dazu geführt, dass das Relationale als kulturelle/künstlerische Geste verstanden und wertgeschätzt wurde.

Die Kuratorin Béatrice Bader über »FeldForschung vol. 3 – Glück gehabt«:
Glück gehabt? Fragen nach dem Glück und dessen Kehrseite scheinen allgegenwärtig, Glücksforschung ist zu einem eigentlichen Forschungsthema geworden. Blosse Konsumwut in kapitalistischen Zeiten löst ebenso wenig das Versprechen auf anhaltendes Glück wie die unablässige Jagd nach demselben. Vielleicht aber findet sich das Glück am kleinen unbestimmten Ort. Angesichts der Komplexität unserer Gesellschaften werden politische, soziale, gesellschaftliche Spannungsfelder um Gewinnmargen, Produktionsbedingungen, Rücksichtnahme und Umgang mit natürlichen Ressourcen permanent öffentlich verhandelt. FeldForschung nimmt sich diesem Diskurs an mit dem Versuch, mittels künstlerischem Forschungstrieb neue Erkenntnisse zu gewinnen. Die künstlerische Praxis der zehn beteiligten Positionen untersucht auf unterschiedliche Weise Fragestellungen zu historischen, gesellschaftlichen und politischen Phänomenen der Region Bucheggberg im Kanton Solothurn. FeldForschung fragt nach ästhetischen Formaten um innerhalb solcher Konfliktfelder neue Handlungs- und Denkräume zu eröffnen: Welches sind die Strategien, Verfahren, Bedingungen und Prozesse der Kunstproduktion unter Einbezug der Gegend und ihren BewohnerInnen?